Ruhe

Fasten

10. Februar 2016

Vor genau einem Jahr habe ich mal Fasten ausprobiert. Und weil die Fastenzeit ja wieder vor der Tür steht, dachte ich mir, ich schreibe mal meine Erfahrungen auf.

Ich habe ganz klassisch am Aschermittwoch mit dem Fasten angefangen. Ich bin nicht so gut mit Feiertagen und habe mir den Zeitraum eigentlich nur ausgesucht, da Neumond war und das ja bekanntlich für den Beginn einer Fastenkur hilfreich sein kann. Ich wollte hauptsächlich fasten, weil es schien, dass mich das Thema immer mehr verfolgt hat (kein Wunder wenn die Fastenzeit direkt vor der Tür steht) und hauptsächlich wollte ich einfach mal rausfinden, was das Ganze soll.

Der Gedanke einer Komplettreinigung für Geist und Körper hat mich gereizt. Frühjahrsputz finde ich klasse, wieso das Ganze also nicht einfach auf den Körper erweitern. Ich habe mich fürs Heilfasten entschieden und es auf vier volle Fastentage, zwei Aufbau und zwei Abbautage reduziert. Wir wollen ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Besonders weil Essen ein riesiges Thema für mich ist, und sagen wir mal so, ich auf Hunger nicht gerade ausgeglichen reagiere. Meine Familie und Freunde wussten alle von meinem Vorhaben.

Ich habe versucht, mich jeden Tag so weit es geht zu beschäftigen. Von Basensalzbädern über Fußmassagen und Yoga fürs Fasten hin zu leichtem Spazierengehen. Trotzdem bleibt ohne die üblichen Mahlzeiten und das Zwischendurchsnacken so unglaublich viel Zeit übrig.

Körperlich verlief alles eigentlich wie erwartet. An Tag 2 hatte ich leichte Kopfschmerzen und abends oft Probleme einzuschlafen, da ich da den Hunger am meisten gespürt habe. Mich hat aber so von den Socken gehauen wie viel Energie man doch hat, ohne einen einzigen Krümel im Magen. Ich glaube, ich habe nach den vier Tagen drei Kilo weniger gewogen, aber erschreckend wie sehr und schnell sich das Gesicht verändert. Und natürlich fällt das große aufs Klo gehen weg. Auch Zeit, die man irgendwo spart.

Aber am allermeisten hat mich erstaunt, was mit der Psyche passiert, wenn der Körper nicht damit beschäftigt ist, zu verdauen.

Ich habe jeden Tag ca. 11 Seiten Tagebuch geschrieben. Alles hat sich wie in einem Computerspiel angefühlt. Alle Sinne sind geschärft. Einmal bin ich in die Stadt gegangen, um mir Zeitungen zu kaufen und jeder Vogel, jedes Auto war dreimal lauter als sonst. Heftig waren auch die Gerüche. Es ist ein gutes Stück zwischen meinem Zimmer und der Küche und jemand musste nur eine Mozzarellapackung aufmachen und ich habe es gerochen. Meine Gedanken waren so abgefahren, ich hatte das Gefühl in doppelter Geschwindigkeit zu denken und zu reden. Wirklich abgefahren. Von den Halluzinationen (die zum Glück ausgeblieben sind) mal abgesehen, stell ich mir so einen LSD Trip vor. Aber ebenfalls mit dieser Intensivierung kam halt auch die Leere. Ich hatte, obwohl ich die ganze Zeit zu Hause war, Heimweh. Alle kamen mir so fremd vor. Ich hatte das Gefühl, nie wieder Teil dieser Familie sein zu können, die Rührei zum Frühstück, Chips zum Wein und Kekse zum Film isst. Ich konnte meinem Kopf einfach nicht erklären, dass ich mir das ausgesucht hatte. Alles auf freiwilliger Basis. Und es überhaupt nicht mal eine Woche andauert.

Mir ist klar geworden, dass ich zum geringsten Teil zum Überleben esse. Am allermeisten ist Essen ein Gemeinschaftsgefühl. Und dafür muss man nicht mal in einer Gruppe essen. Ich hätte niemals gedacht, dass der Kopf den Akt des Essens mehr braucht als der Körper. Und da ist mir auch aufgefallen, wie sinnlos Überessen ist. Übersatt sein schadet sowohl dem Körper als auch dem Geist.

Eine Balance finden zwischen den abgefahren Gedanken, die man hat, wenn der Bauch nicht verdaut und alle Energie ins Gehirn geschickt wird und dem wohligen Zusammensein mit anderen. Sich was Gutes tun, sich pflegen, seine Seele glücklich machen.

Diese Erkenntnis ist mir erst gekommen, als ich den Hahn mal völlig zugedreht hab. Vermutlich hat man ähnliche Erkenntnisse, wenn man mal eine Woche ohne Geld lebt. Verzicht zeigt einem immer, in was für einem Überfluss man sonst lebt, und auch wie anstrengend die komplette Abwesenheit ist.

Ich hab mich auf jeden Fall sehr gefreut, als ich wieder essen konnte und mich nicht mehr wie ein Aussenseiter gefühlt habe. Die drei Kilo waren auch ganz schnell wieder da. Und meine Liebe und Wertschätzung  zum Essen ist gestiegen. Vielleicht werde ich dieses Jahr mal ganz klassisches Fasten für 40 Tage ausprobieren. Fleisch, Alkohol, Süßigkeiten. Die ersten beiden Sachen kein Thema. Zählt Popcorn auch als Süßigkeit? Dann hätten wir ein Problem.

Fastet ihr dieses Jahr? Und wenn ja was?

 

 

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