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Geld: Tischlein, deck dich!

19. April 2019
Tischlein, deck dich!

Okay, Geld und Food. Ich habe eine Weile nachgedacht, was ich zu dieser Themenkombination sagen kann, aber ich hatte sofort das Gefühl, da gibt es ganz viel zu sagen. Von billigen bis zu extrem teuren Lebensmitteln, über die Mem, dass der Mensch erst alles Leben auf der Erde vernichten wird, bis er merken wird, dass man Geld nicht essen kann, bis zu der Berliner Tafel, die statt Geld an Obdachlose zu geben, Essen bei Restaurants und Supermärkten  einsammelt, um es zu verteilen. Also private, gesellschaftliche, spirituelle Aspekte, die mich alle interessieren auch – das günstigste und das teuerste Rezept. Das wird hier also eine bunte Mischung werden. Und seltsamerweise ist mir immer wieder dieses Märchen – Tischlein, deck dich – der Brüder Grimm eingefallen und die seltsamen Verbindung von Geld und Essen, die dort gemacht wird.

Das billigste Gericht

Ich fange mal ganz unten an. Beim Überleben. Das meistgegessene Lebensmittel auf der Welt? Reis. Würde ich sagen. Und hier die kleine Anekdote, die zu dem ersten Rezept führen wird. Klein Katrin (ca. 10 Jahre) will mit ihren Brüdern etwas kochen. Die Eltern sind aus dem Haus, das ist also superaufregend. Da gibt es das Dr. Oetker-Kochbuch und wir suchen so lange, bis wir ein Rezept finden, für das wir alle Zutaten haben. Es ist: Apfelreis.

1 Liter Wasser//250 gr Milchreis//Zucker//500 gr Äpfel.

Wasser zum kochen bringen, Milchreise rein, Äpfel kleinmachen, dazupacken.

Dem erfahrenen Koch fällt natürlich auf, dass in Wasser gekochter Reis nicht besonders geschmackvoll ist. Eher fade. Und durch Zucker nur süß wird. Und ein gekochter Apfel nun auch nicht besser als ein roher ist. (Vitaminvernichtung). Als Kind war ich so naiv zu glauben, dass aus den Zutaten auf magische Weise etwas großartiges Neues entstehen muss. Nope. Aber vermutlich ist es tatsächlich eines der einfachsten und billigsten Rezepte.

Ist Essen besser als Geld?

Als Kind habe ich an vieles nicht geglaubt (nicht an den Weihnachtsmann und den Storch, nicht an den Osterhasen und die Zahnfee), aber ganz allgemein an Magie. Dass Dinge geschehen können, wenn man sie nur stark genug will, wünscht und dass das Märchen vom Tischlein, deck dich nur eine etwas erweiterte Fassung dieses Glaubens ist. Ich mag, dass in vielen Märchen die Magie nie in Frage gestellt wird. Tischlein, deck dich beginnt damit, dass ein Schneider drei Söhne hat, die jeder einzeln mit der Ziege losziehen, die dann immer behauptet, sie wäre gar nicht sattgeworden und hätte gar nichts gefressen.

Und – logisch,- die Ziege ist eine wichtige Milchquelle, Ernährung, Food! Und der Vater ziemlich sauer, als Schneider verdient er nicht genug, im Zweifelsfall also für die Ziege und so schickt er einen der Esser//Sohn nach dem anderen aus dem Haus. Der Erste geht zum Schreiner in die Lehre und bekommt am Ende als Lohn einen Tisch geschenkt. Einen Wundertisch, der sich auf das schlichtes Kommando Tischlein, deck dich! mit den leckersten Speisen füllt. Ätsch, Papa, ich habe jetzt meinen eigenen Tisch unter den ich die Füße stellen kann und die Ziege kann mich mal. Damit könnte die Geschichte schon wunderbar zuende sein, denn sie hat ein Happy End und eine Moral (Verlass ruhig dein Elternhaus, wenn sie dich dort nicht schätzen, du findest sicher noch was viel Besseres in der weiten Welt). Aber das Märchen ist noch nicht zuende …

… to be continued

Der gedeckte Tisch

Von der Hand in den Mund ist so ein Ausspruch, der einem sagt, dass da jemand gar nicht gut dran ist. Er verdient gerade genug – mit den Händen – um sich davon Essen zu kaufen und das ißt er und dann geht es von vorne los. Oder er verdient gar nicht mal Geld, sondern wird mit Naturalien bezahlt.Und interessanterweise ging es ja so los mit Essen und Geld. Also mit Primitivgeld oder Primärgeld.

Als Primitivgeld/Primäargeld werden Zahlungsmittel bezeichnet, die nicht als Münzen geformt werden und neben ihrem Tauschwert oft einen (symbolischen) Gebrauchswert haben, sich also wie andere Waren konsumieren lassen. Ein wesentliches Merkmal von traditionellen Zahlungsmitteln ist, dass sie grundsätzlich von jeder Person selber hergestellt und in Umlauf gebracht werden können, ohne eine zentrale Ausgabe- oder Kontrollstelle. (Wiki)

Primärgeld, das waren: Kakaobohnen, Salz, Erbsen, Muscheln, Tee. Die gab man dem Kunden statt der Ware und der hatte einen Ersatz, den er dann später eintauschen konnte oder bei einem anderem Händler. Salz, Kakaobohnen, Tee – da hatte man auf jeden Fall etwas, was man Essen konnte, wenn es ganz eng wurde. In den Anfängen der Geldwirtschaft war es offenbar noch ganz klar: Essen und Geld, dass ist doch praktisch das Gleiche.

Doch es gab auch Zähne, Haare und Stoff, der von schwangeren Frauen gewebt wurde (Kongo), als Zahlungsmittel. Gegenstände. Wie Tische und Esel oder einen Prügel? Genau.

Was die Indianer so nicht sagten
„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Irgendwie waren wir uns alle sicher, dass das Volk der Cree diesen Satz geprägt hat, aber dann ist jemand der Sache mal richtig nachgegangen und hat ein Interview mit der späteren kanadischen Dokumentarfilmerin Alanis Obomsawin, das 1972 in Kanada erschien, als älteste schriftliche Quelle gefunden. Obomsawin soll dem Volk der Abenaki angehört haben, womit der Satz zumindest indianischer Herkunft ist. Und wir vestehen ihn alle sofort. Das mit dem Geld ist ja gut uns schön, aber wir sollten nicht vergessen, dass Geld ohne Essen ziemlich sinnlos ist. Oder Geld, was sich nicht gegen LEBENS-mittel eintauschen lässt. Geld und Essen – die Beziehung ist ganz einfach. Essen kann ohne Geld, aber Geld ohne Essen – macht zumindest für Lebewesen wenig Sinn.

Der Goldesel

Als Erstgeborene war Tischlein, deck dich für mich auserzählt, als der älteste Sohn seine Genugtuung in Form des Wundertisches bekommen hatte. Aber in Märchen ist ja bekanntlich alles mal drei oder sieben, also ging es weiter. Auch der zweite Sohn macht die Erfahrung mit der verlogenen Ziege, wird herausgeworfen und geht zu einem Müller in die Lehre. Am Ende bekommt er den Goldesel (für den der Müller offenbar keine Verwendung hatte ??). Diese Wundergaben werden den Brüder allerdings von einem listigen Wirt gestohlen, der sie gegen normale Gegenstände eintauscht.

Und es ein Superflop, als die beiden ältesten Brüder ihre Wundergegenstände mit nach Hause bringen, um ihrem Vater vorzuführen, wie weit sie es gebracht haben. (Kommt bestimmt einigen von uns bekannt vor ;).

Der Wundertisch bleibt „so leer wie ein anderer Tisch, der die Sprache nicht versteht“ und Beim Esel „zeigte sich, daß das Thier nichts von der Kunst verstand, denn es bringts nicht jeder Esel so weit“. Ja, die Kunst … Erst der jüngste Bruder kann den Wirt – gewarnt von seinen Brüdern – überführen und die Zaubergegenstände zurückholen, in dem er ihn täuscht und dann verdrischt. „Der Wirt schreit und der Knüppel schlägt ihm den Takt dazu.“

Diese Kette: Essen, Geld, Prügel hat vermutlich in unserem Kulturkreis bei vielen von uns tiefe Spuren hinterlassen. Das erste – also essen wollen – ist okay, das zweite – so viel Geld wie man möchte – purer Luxus, und am Ende gibt es (einen) – Prügel? Aber damit werden alle Probleme gelöst. Nun, immerhin gibt es auch eine späte Wiedergutmachung, wobei ich nie verstanden habe, warum die Brüder wieder zu diesem Vater (und der Ziege) zurückgekert sind.

Es gibt auch eine marxisitische Deutung des Tischlein, deck dich, da sind die drei Gaben als Feudalismus, Kapitalismus und revolutionären Volkskrieg oder als technologischen, ökonomischen und politischen Aspekt der bürgerlichen Revolution zu verstehen. As you like it.

Das teuerste Gericht

Kommen wir zum Höhepunkt: Das teuerste Gericht. Klar, ich habe das Internet befragt und wurde fündig: Sushi del Oriente.

Ich finde es sehr interessant, dass wieder Reis involviert ist. Die Sushi-Rollen sind mit Safran, Gänsestopfleber (ein No Go!) und Seegurke gefüllt. Auf den Rollen sitzen 12 Palawan-Perlen (Palawan Perlen kommen aus der Südsee, den Philippinen, sind golden und können einen Einzelwert von 1000 Euro haben). Und da irgendwo im Topping sind auch noch vier 0,2-Karat Diamanten. Was die mit den Zähnen machen, keine Ahnung, vermutlich sind sie zu klein, als dass man bemerkt. Die Sushirolls schließlich sind eingewickelt in Blattgold. Bestellt man das Gericht im Restaurant, dann darf man 23.500 Dollar bezahlen. (Ihr seid natürlich eingeladen). Wenn man es sich selbst zubereitet, dann wird es sicher etwas billiger. Sieht ja auch ganz einfach aus. Über den/die Geschmack(losikeit) dieses Gerichts kann kann man sicher streiten, aber dasrum ging es ja nicht.

Und wer sagt jetzt noch, dass man Geld/Gold nicht essen kann?!

P.S.: Weil bei den meinsten Festen oder Event sicher ein paar Sushi del Oriente Rolls übrig bleiben, macht es Sinn, sich auch als Privatperson an die Berliner Tafel zu wenden:

Wenn Sie ein größeres Fest geben und das Essen von einer Cateringfirma zubereitet wurde (privat zubereitete Speisen darf die Tafel wegen der Hygienebestimmungen nicht abholen – auch wenn Ihnen die Tafel sofort glaubt, dass Sie supertoll und sauber kochen), holt die Berliner Tafel gern die Reste ab. Wenn Sie sich zwei bis drei Tage vorher melden, werden die Details geklärt und Sie bekommen die Telefonnummer eines Ehrenamtlichen, den Sie eine halbe Stunde vor Abholung anrufen können – sofern etwas übrig geblieben ist.  (Website Berliner Tafel)

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