Ruhe

Just don’t do it – Eine Ode ans Nichtstun

21. Juli 2017
JUST DO IT

Just Do It. Das Motto einer Generation. Und wieso nicht? Es steht ja alles bereit. Man braucht nur die Hände auszustrecken und hat alle Mittel zur Verfügung.

Als ich nach Jericho gefahren bin, habe ich zum Beispiel ganz bewusst keine technischen Geräte mitgenommen. Ich wollte mich nicht ablenken lassen und am Ende nur Filme im Hotel gucken. Ich wollte rausgehen und Dinge sehen. Mit meinen eigenen Augen wahrnehmen. Das einzige, was ich also dabei hatte, war mein Handy. Und als mich nach vier Tagen doch der Drang nach kreativem Ausgleich überkam, habe ich einfach angefangen, kleine Filmchen mit dem Telefon zu drehen. In iMovie geschnitten, mit GarageBand die Musik gemacht, auf Instagram hochgeladen. Und klar, es geht. Also – ,Just do it‘?

SCHAUSPIELEN HEIßT WARTEN

Als Schauspieler sieht das etwas anders aus. Meist wird man als letztes ans Set geholt und als erstes zurück gebracht. Und was in der Zeit dazwischen passiert, ist nur zu einem wirklich kleinen Teil schauspielern. Während die Beleuchter leuchten und die Bühne baut wartet man als Schauspieler. Erst wenn alles eingerichtet, eingeleuchtet und verkabelt ist, kommt man zum spielen. Und da die meisten Szenen im deutschen Fernsehen eine Länge von maximal 2min haben, ist nach besagten zwei Minuten auch alles schon wieder vorbei. Dann heißt es erneut warten.

Somit habe ich mich recht früh daran gewöhnt, lange Zeit ,nichts‘ zu tun.
Und das ist enorm wichtig. Denn wenn man am Set nicht lernt abzuschalten, nervt man nicht nur die Teamkollegen, sondern verschwendet auch einen Haufen Energie, den man in späteren Szenen brauchen wird.

So schön ,Just Do It‘ also klingt, als Schauspieler tut man die meiste Zeit eigentlich gar nichts.

ÜBERWINDUNG

Natürlich ist mir bewusst, dass das Motto des „einfach-tuns“ einen dazu bringen soll, über den eigenen Schatten zu springen. Seine Grenzen zu erforschen und die Dinge nicht immer auf morgen zu verschieben. Und da bin ich auch voll im Einklang.
Als Kreativschaffender übt die ,Just Do It‘-Haltung allerdings auch einen Druck aus. Denn während ich sowieso die Tendenz habe, mir meine Pausen mit eigenen Projekten zu füllen, hämmert mir ,Just Do It‘ in jeder freien Sekunde ein schlechtes Gewissen ein. >>Einfach im Cafe sitzen und Menschen beobachten ist nicht. Du musst was tun, Lenny. Du musst jetzt anfangen.<<
Überhäuft von unendlich vielen Möglichkeiten. Egal was – Hauptsache was tun.

Dabei ist im Cafe sitzen meistens viel hilfreicher als alles andere.

LOSLASSEN

Im Grunde geht es darum, loszulassen. Sich nicht in den Strudel der Geschäftigkeit zu werfen. Auf die Frage ,Was machst du Samstag?‘ ganz entspannt ,Nichts!‘ antworten zu können und dabei nicht zu denken ,Fuck… ich hab kein Leben‘, sondern ,Fuck… hab ich ein Leben!‘

Also sage ich mir immer wieder – just don’t do it. Das wird sich sowieso von alleine lösen. Das wird schon gut gehen. Du hast keinen Bock darauf? Dann lass es. Mach etwas, das dich glücklich macht. Mach andere Menschen glücklich. Aber dreimal im Kreis rennen, nur um am Ende zu sagen, dass du was getan hast, ist Schwachsinn. Energieverschwendung. Und es verschleiert den Blick auf das Leben. Auf die Momente auf die es ankommt. Klar können wir diese Momente mittlerweile mit der Kamera in unserer Hosentasche festhalten. Aber ist das das Gleiche wie wirklich da zu sein?

Einfach nichts tun, Freiraum schaffen und beobachten, hat mich schon durch einige brenzlige Situationen gebracht. Denn wenn ich ehrlich bin, bin ich am besten wenn ich gar nichts tue.

JUST DON’T DO IT

Zeit also für ein neues Motto. Während es für Spielberg und co. noch eine große Herausforderung war, einen Film ,einfach‘ zu drehen, haben wir mittlerweile alles was wir brauchen. Wir müssen nicht das letzte Taschengeld für einen neuen Super8 Film zusammenkratzen. Wir haben Handy, Computer und vor allem das Internet! Für uns besteht die Herausforderung darin, manche Filme einfach nicht zu drehen. Manche Dinge einfach nicht zu tun. Zu warten, zu beobachten. Effizient mit den Mitteln umzugehen, die uns die ,Just-Do-It‘-Generation gegeben hat. Um dann, wenn der Moment kommt, loszulegen.

Denn wenn man zu viel zu tut hat, verpasst man den Moment der das Leben für immer ändern wird…

 

 

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